CMD-Schiene funktioniert nicht - Teil 2
- DDr. Rainer Biedermann
- 9. Apr.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 3. Juni

Inhaltsverzeichnis
Liebe Leserin! Lieber Leser!
Da der Blogpost „CMD-Schiene funktioniert nicht“ mit mittlerweile 18.000 Aufrufen so großes Interesse geweckt hat, habe ich beschlossen dem Thema einen zweiten Teil zu widmen.
Nicht selten treffe ich Patient/Innen, die ein Problem mit Ihrer bisherigen Aufbiss-Schiene haben und das v.a. in der Nacht.
Die Frage stellt sich natürlich: Warum?
In diesem Blogbeitrag verrate ich Ihnen Hintergrundwissen zum Herstellungsprozess einer Aufbiss-Schiene und warum es gar nicht so abwegig ist, dass diese für Sie in der Nacht womöglich nicht funktioniert.
Sie entscheiden sich bei Ihrem Zahnarzt / Ihrer Zahnärztin zu einer Aufbiss-Schiene. Es werden Abdrücke abgenommen (analog/digital). Jetzt kommt bereits der erste entscheidende Punkt:
Welcher Biss wird für die Herstellung der Schiene herangezogen?
Nach meiner Erfahrung aus hunderten Patientenuntersuchungen wird zu über 90% Ihr gewohnter Biss in sitzender Haltung am Behandlungsstuhl herangezogen. Dies hat im Herstellungsprozess der Schiene markante Folgen.
Im Folgenden darf ich Ihnen werte Leser/Innen zwei wichtige Punkte näher bringen:
Das „Artikulator-Problem“:
Ein Artikulator ist ein technisches Gerät aus der Zahnheilkunde, dass zur Herstellung von Aufbiss-Schienen, aber auch für Versorgungen wie Kronen oder Brücken herangezogen wird.
Er besteht aus zwei Teilen, die über eine Art Kugelgelenk miteinander verbunden sind. Ober- und Unterkiefer können so zueinander im gewohnten Biss (habituell) oder über ein z.B. myozentrisches Bissregistrat eingestellt werden. Der Unterkiefer kann dann in einem gewissen Umfang bewegt und somit Kieferbewegungen „nachgeahmt“ werden.
Um jedoch eine Schiene auf Ihren Zähnen anfertigen zu können, muss Ihr Biss angehoben werden.
Was meine ich damit?
Ihre Zähne sind im gewohnten / habituellen Biss geschlossen (Abbildung 1), allerdings muss das Schienenmaterial zwischen Ihren Zähnen noch Platz finden.

Dazu wird eine künstliche Mundöffnung in einem Artikulator nachgeahmt, bis die gewünschte Höhe (mindestens 1,5mm Abstand zwischen den Zähnen) erreicht wird. Der Mindestabstand ist notwendig, damit die Schiene ausreichend Materialschichtstärke aufweist und später nicht bricht.
Der Unterkiefer wandert entsprechend einer Uhrzeigerbewegung nach unten hinten (Abbildung 2). Man sieht bereits anhand der grünen und gelben Markierung, dass sich der Unterkiefer nach hinten unten bewegt.

Im Vergleich dazu wäre aber die muskulär entspannte Position (Abbildung 3) ganz woanders. Diese liegt nämlich deutlich weiter vorne.

Die Patientin würde mit einer Aufbiss-Schiene, die im gewohnten, künstlich geöffnetem Biss (Bild unten) hergestellt wurde, in eine weiter hinten liegende Position „gezwungen“, obwohl sie eigentlich muskulär entspannt, weiter vorne stehen würde.
Somit wird verständlich, dass der Patientin/demPatienten (auch wenn gut gemeint) mitunter unbewusst ein Zwangsbiss auferlegt wird.

Das Problem der sitzenden/stehenden Bissnahme:
Diesbezüglich darf ich einen langjährigen Erfahrungswert aus meiner Praxis mit Ihnen teilen. Die Körperhaltung hat einen massiven Einfluss darauf, wie unser Gebiss zueinander findet.
Ein Selbsttest:
Neigen Sie den Kopf nach unten und schließen den Unterkiefer langsam bis Sie leichten Zahnkontakt spüren. Der Kontakt wird weiter vorne liegen als gewohnt. Im Umkehrschluss liegt der erste Zahnkontakt im Liegen weiter hinten, da die Schwerkraft den Unterkiefer in Rückenlage klarerweise nach unten zieht.
Wenn der Biss im Sitzen oder Stehen für eine Aufbiss-Schiene abgenommen wird, die nachts getragen werden soll, haben Sie im Liegen unweigerlich einen Vorkontakt im hinteren Bereich der Schiene.
In der Ordination kann man dies sehr gut nachprüfen, indem man einen sog. Okklusionslack (rot) auf die Aufbiss-Schiene aufträgt. Am nächsten Morgen kann man die farblosen abgeriebenen Stellen sehen und Rückschlüsse auf die liegende Bissposition ziehen. Erfolgt der Abrieb exakt in den vorgegeben Zahnimpressionen oder liegt er etwas weiter vor diesen. Im letzteren Fall ist es ein Zeichen dafür, dass die geplante Schienenposition nicht eingenommen werden kann.
Sie können die Bissposition Ihrer Schiene auch selbst ganz einfach testen. Setzen Sie Ihre Aufbiss-Schiene ein und legen Sie sich flach mit dem Rücken auf den Boden. Schließen Sie die Augen und lassen Sie den Unterkiefer locker entspannt hängen. Dann schließen Sie aus der gelockerten Position heraus den Unterkiefer ganz, ganz langsam bis Sie einen zarten ersten Kontakt auf der Schiene spüren. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird er sich im hinteren Bereich der Schiene außerhalb des Zielbisses wiederfinden.
Am Zahnarztstuhl empfiehlt es sich den Biss der Aufbiss-Schiene nochmals im Liegen zu überprüfen. Vorkontakte können hier eingeschliffen, beseitigt bzw. ganz reduziert werden.
Die optimale Bissplanung:
Bevor eine Aufbiss-Schiene angefertigt wird, sollte eine Bissplanung stattfinden:
Wann soll die Schiene getragen werden? Am Tag oder in der Nacht?
Danach richtet sich selbstverständlich die Technik der Bissnahme im Liegen oder im Stehen/Sitzen.
Die beste Variante einen Biss zu nehmen, ist ihn im Nachhinein nicht mehr künstlich verändern zu müssen.
Was bedeutet das?
Wir erinnern uns an das obige Beispiel der Bissveränderung im Artikulator (Abbildung 2). Ein nachträgliches Anpassen des Bisses in der Höhe, kann niemals den Zustand im Patientenmund wiedergeben. Es handelt sich dabei immer nur um einen Näherungswert.
Wenn die Bisshöhe allerdings vorab geplant und zudem mit der Ruheschwebe des Unterkiefers abgestimmt wurde, wurde schon viel Gutes getan.
Mögliche Folgen einer nicht durchdachten Bissplanung:
In meinem Praxisalltag berichten Patient/Innen öfters darüber seit der neuen Schiene verstärkt zu pressen oder aber auch über eine Verschlechterung der eigentlichen Symptomatik. Selten treten auch neue ungekannte Beschwerden auf.
Allerdings können oben genannte Vorkontakte auf der Aufbiss-Schiene auch über lange Zeit keine Probleme machen, aber trotzdem im Verlauf zu sog. Parafunktionen wie nächtliches Zähnepressen führen.
Einschleifen der Schiene für die Nacht:
Grundsätzlich sollte der Biss auf der Schiene in liegender Position spontan gut getroffen werden. Zudem kann es absolut Sinn machen die nächtlichen Gegebenheiten in der Praxis nachzustellen. Z.B. das Mitbringen des Polsters und die Einnahme der bevorzugten Schlafhaltung können weitere Störkontakte ans Tageslicht bringen. Der Polster verändert die Kopfhaltung und somit auch den Biss.
FAZIT:
Der Herstellungsprozess und die Bissplanung einer Aufbiss-Schiene können entscheidende Faktoren beim Gelingen einer Therapie darstellen.
Dieser Blogbeitrag soll in keinster Weise die Arbeit von Kollegen diskreditieren, sondern zum Nachdenken anregen und Lösungen bereitstellen.
Weitere Ursachen, warum eine Aufbiss-Schiene nicht funktionieren kann, finden Sie unter dem Blogthema:
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