Praxis für Kiefergelenkstherapie
und Kieferorthopädie
DDr.Rainer Biedermann
Master of Science
ICCMO Mitglied
Diskusverlagerung
Diskusverlagerung: Was ist das, warum entstehen dabei Gelenkgeräusche wie Knacken und wie sieht die Behandlung aus?
Die häufigste Funktionsstörung im Bereich des Kiefergelenks ist die sogenannte Diskusverlagerung. Dabei verrutscht die Knorpelscheibe im Kiefergelenk aus ihrer normalen Position nach vorne oder nach seitlich.
Patienten/Innen, die unter einer Diskusverlagerung leiden, können schmerzhafte Einschränkungen haben den Mund vollständig zu öffnen und sie können zudem zum Teil recht starke Knackgeräusche wahrnehmen.
Spezialisierte CMD-Ärzte können Ihnen helfen, die genauen Ursachen herauszufinden, um anschließend eine geeignete Behandlungsmethode auszuwählen.
Der erste Schritt: Untersuchung der Kiefergelenke
Nach der neuromuskulären Behandlungsphilosophie, die wir in unserer Praxis verfolgen, gehen wir einen anderen Weg in der Beurteilung der Kiefergelenke.
Wohingegen in der klassischen Zahnmedizin der Blick primär auf das Gelenk gerichtet ist und der instrumentalen Aufzeichnung von Gelenkbahnen große Aufmerksamkeit geschenkt wird, erfolgt bei uns zuerst die Beurteilung des Milieus in dem die Gelenke ihre Arbeit verrichten müssen.
Dabei erfolgt eine genaue Untersuchung der Kau-, Hals-, Nacken- und Schultermuskulatur. Gibt es Verspannungen oder Triggerpunkte und inwieweit lassen sich diese mit der vom Patienten/In geschilderten Symptomatik in Einklang bringen?
Ist das Arbeitsumfeld der Gelenke von asymmetrisch belasteten und chronisch verspannten Muskeln geprägt und können diese nicht mehr in Ruhe entspannen, wirken auf das Gelenk andauernd Druckkräfte (Gelenkskompression) auch wenn kein Zahnkontakt besteht.
In diesem Fall würde die Aufzeichnung der Kiefergelenksfunktion ein Gelenk zeigen, das ständigen Druckkräften ausgesetzt und bereits evtl. Umbauvorgängen (Arthrose) unterworfen ist.
Allerdings (aus unserer Sichtweise) ohne eine wirkliche therapeutische Konsequenz, denn so lange das muskuläre Problem nicht erkannt und behoben wurde, kann keine "normale" Gelenksfunktion wiederhergestellt werden. Wird die Muskulatur entspannt, folgen die Gelenke und können sich erholen, da der negative Druckkraftvektor beseitigt wurde.
Ein Beispiel:
Stellen Sie sich vor sie müssten eine Türklingel betätigen. Einmal machen Sie das indem Sie Ihren Arm stark verdrehen und in einer wahrlich akrobatischen Armhaltung versuchen den Knopf zu betätigen. Das verursacht nach geraumer Zeit große Verspannungen und Schmerzen, Gelenke fangen an zu knacken.
Sie gehen zum Arzt und sagen ihm/ihr, dass etwas nicht stimmt und Sie Schmerzen beim Betätigen der Türklingel haben. Mittels instrumentaler Analyse wird Ihre Armbewegung aufgezeichnet und Sie erhalten im ungünstigsten Fall eine Schiene, die auf Ihr bereits kompensiertes Bewegungsmuster programmiert ist.
In dem anderen Fall gehen Sie zum Arzt und er/sie wird eine Muskeluntersuchung an Ihnen vornehmen und feststellen, dass Sie starke Verspannungen in der Armmuskulatur aufweisen. Nach erfolgter Muskelentspannung lässt sich Ihr Arm wieder in einer anderen, aber dafür muskulär entspannten Position halten und bewegen. Auf diese Position erhalten Sie jetzt eine Schiene die den Heilungsprozess unterstützt und einen Rückfall in das kranke Bewegungsmuster verhindert.
Nach dem erfolgtem Muskelscreening und der Beurteilung des neuromuskulären Milieus werden die Kiefergelenke abgetastet und untersucht. Dabei werden die Grenzbewegungen des Kiefers abgefahren. Die maximale Öffnung, Seitschub (rechts & links) und Vorschub des Kiefers können schon sehr viele Informationen in Bezug auf die Funktionstüchtigkeit der Kiefergelenke liefern. Beim Abtasten während den Bewegungen wird auch auf Geräusche wie etwa Knackphänomene, Reiben oder Knistern geachtet.
Woher kommen Gelenkgeräusche wie Knistern, Knacken und Reiben?
Prinzipiell unterscheiden wir zwischen Knacken und reibenden bzw. knisternden Geräuschen. Das Besondere am Kiefergelenk stellt sicherlich die Nahbeziehung zu unserem Ohr da.
Geräusche werden bei jeder Kieferbewegung sofort wahrgenommen und führen meist zur Beunruhigung des Patienten / der Patientin.
Geräuschsensationen sind per se nicht gefährlich und müssen nicht immer das Schlimmste bedeuten. Stellen sie sich vor, unser Ohr würde nicht am Kopf sondern an unserem Knie anliegen. Wir wären bei jedem Schritt von Geräuschen geplagt.
Wann entsteht Knistern bzw. Reiben?
Knistern bzw. Reiben kann ein Hinweis darauf sein, dass die Gelenkflächen im Kiefergelenk direkten Kontakt miteinander haben.
Normalerweise wird das Gelenk von einer Knorpelscheibe (Discus articularis) in 2 Räume unterteilt und dient als eine Art Puffer zwischen den Knorpelflächen.
Verlagert sich dieser Diskus kommt es zum Kontakt der Gelenkflächen und ein Reibegeräusch entsteht. Ist dieses Geräusch ohne Schmerzen vorhanden sprechen wir von einer inaktiven Arthrose.
Das muss nicht sofort besorgniserregend sein, da zwischen einem gesunden und kranken Gelenk noch ein großer Bereich der Adaptation bzw. Kompensation liegt.
Sollten die akustischen Phänomene jedoch von Schmerzen begleitet werden, kann es sich um eine aktive Arthrose mit bereits erfolgten Umbauprozessen in den Gelenkstrukturen handeln. In diesem Fall ist sicherlich der Gang zu einem CMD-Spezialisten angezeigt.
Wann entstehen Knackgeräusche?
Knackgeräusche können einerseits durch die bereits oben erwähnte Knorpelscheibe aber andererseits auch durch die Bänder des Kiefergelenks verursacht werden. Der Prozess der Diskusverlagerung erfolgt meist durch eine ungünstige Druckverteilung bzw. Belastung im Gelenk.
Wie am Anfang bereits erwähnt hat die Muskulatur einen großen Einfluss darauf, denn die Zugrichtung der Kaumuskulatur kann für ständigen Druck auf das Gelenk sorgen. Hält der Druck andauernd an, kommt es bereits zu Umbauvorgängen an der Knorpelscheibe und in weiterer Folge wird der Diskus zwischen den Gelenkflächen je nach Belastungsvektor nach vorne oder seitlich hinausgequetscht.
Stellen Sie sich vor, Sie halten ein Stück Seife zwischen den Händen und drücken mit beiden Händen fest zu. Das Stück Seife wird in eine Richtung ausweichen und Ihnen entgleiten.
So einfach ist es aber natürlich nicht. Der Diskus ist im Gelenk an mehreren Stellen befestigt. Ganz vereinfacht einerseits am Schädelknochen und an einem Muskel. Der hintere Teil ist ein Band, in dem sich Blutgefäße und Nerven befinden und fungiert im Falle unserer Verlagerung wie eine Art Gummiband.
Nehmen wir an, der Diskus würde sich durch chronischen Gelenksdruck nach vorne verlagern.
Die Knorpelscheibe liegt vor dem Kiefergelenksköpfchen und sie öffnen den Mund. Es entsteht wieder etwas mehr Platz im Gelenk und der Diskus wird durch unser "Gummiband" wieder auf das Kiefergelenksköpfchen gezogen. Es knackt.
Das Problem ist hier immer die Zeit. Je länger dieser Prozess andauert, desto länger wird auch das Gummiband beansprucht. Die elastischen Fasern werden überdehnt und das Knackphänomen tritt immer später in der Öffnungsbewegung auf, bis es dann irgendwann gar nicht mehr knackt.
Meist zur Freude der Patienten, weil das lästige Geräusch endlich verschwunden ist. Allerdings wird jetzt eine schiefe oder sogar eingeschränkte zum Teil auch schmerzhafte Mundöffnung beobachtet, die zuvor nicht oder nur sehr minimal vorhanden war.
Es liegt nun eine permanente Verlagerung der Knorpelscheibe vor. Das Kiefergelenksköpfchen liegt nun nicht mehr auf unserem Puffer, dem Diskus, auf sondern auf dem sensiblen Bereich des Gummibandes, in dem sich Nerven und Gefäße befinden.
Dies kann zu stechenden Schmerzen im Kiefergelenk (meist vermeintlich im Ohr gefühlt) führen. In weiterer Folge kann es auch zu einer Gelenkskapselentzündung (Capsulitis) kommen.
Durch die permanente Verlagerung der Knorpelscheibe geht ein "Platzhalter" im Gelenk verloren. Der Raum zwischen den Gelenkflächen wird weniger und die Kapsel reagiert darauf in dem sich die Fasern auf die neue Situation anpassen und verkürzen.
Durch das neue verringerte Platzangebot im Gelenkspalt wird eine Repositionierung des Diskus nochmals erschwert.
Daher gilt: Je länger eine Verlagerung der Knorpelscheibe besteht, desto ungünstiger ist auch die Prognose den Diskus wieder „einzufangen“.
Unser Beispiel beschreibt natürlich ein Worst Case Szenario. Viele Menschen leiden zeitlebens an Knack- oder Reibephänomenen und haben keinerlei Probleme.
Wie anfangs bereits erwähnt gibt es einen großen Graubereich zwischen einem gesunden und erkrankten Gelenk mit dem man aber dennoch sehr gut leben kann.
Was können Sie bei schmerzhaften und schwerwiegenden Diskusverlagerungen tun?
Bei Kieferschmerzen oder Beschwerden lohnt es einen CMD-Arzt bzw. CMD-Spezialisten aufzusuchen.
Dabei wird bei uns zunächst die Ursache aus neuromuskulärer Sicht für das Problem gesucht. Sollte das Problem in der Muskulatur mit auslösendem Faktor in dem Biss des Patienten / der Patientin zu finden sein, erfolgt die Therapie nach unserem Behandlungskonzept mit Ziel einer verbesserten, gleichmäßigen Abstützung des Bisses z.B. auf einer Aufbiss-Schiene vorzunehmen.
Dabei kann die Muskulatur aus einer entspannten Position heraus wieder harmonisch ihre Tätigkeit ausführen. Je nach Fall kann schon das alleinige Tragen einer Schiene in der Nacht ausreichen, um Beschwerdefreiheit zu erreichen.
In seltenen Fällen kann eine Bissumstellung in Zusammenarbeit mit dem Zahnarzt und / oder dem Kieferorthopäden notwendig sein, wenn nur das Tragen einer Schiene rund um die Uhr zur Schmerzfreiheit führt.
Abschließend sei noch zu erwähnen, dass die Beseitigung eines Knackphänomens niemals garantiert werden kann, da es sich hier bereits um eine Gelenksschädigung in Form einer Arthrose handelt. Eine Reduktion der Knack- bzw. Reibegeräusche ist jedoch häufig möglich.
An erster Stelle sollte - wie bereits oben erwähnt – immer die Schmerzreduktion bzw. –freiheit stehen.
Gerne können Sie einen Termin für ein individuelles Beratungsgespräch bei mir vereinbaren
In einem persönlichen Gespräch informiere ich Sie gerne über Ihre individuellen Behandlungsmöglichkeiten.